Foto: Isa Karakus

Der folgende Text wurde in dieser Form auf der Webseite von Dr. Christa D. Schäfer als Blogbeitrag veröffentlicht und beschäftigt sich mit den pädagogischen Folgen des Krieges in der Ukraine.

 

Heute ist der 28. Februar 2022. Vor einigen Tagen hat der Ukraine-Krieg begonnen. 7,5 Millionen Kinder leben in der Ukraine, sie hatten es bisher bereits mit vielfältigen Problemen zu tun. Jetzt ist der Krieg dazu gekommen und es besteht eine unmittelbare Bedrohung für ihr Leben.

Die Kinderschutzteams der unicef halfen bisher Kindern, die von Gewalt, Missbrauch, der Trennung von ihrer Familie und von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen waren, und sie leisteten psychosoziale Unterstützung sowie Hilfe für Kinder mit einer Behinderung. Jetzt hat sich der Bedarf nach Hilfe vervielfacht.

Meine Gedanken sind bei diesen Kindern und Jugendlichen.

Auf der anderen Seite sind auch Kinder in Deutschland davon betroffen. Sie hören die Nachrichten oder sehen verstörende Kriegsbilder in den Nachrichten, und sie fragen, ob sie sicher sind, wann der Krieg zu uns kommt und einiges mehr. Viele Eltern sind unsicher und wissen nicht, wie sie mit ihrem Kind über die Kriegssituation sprechen sollen. Auch viele Pädagog*innen in Kita und Schule wissen nicht so recht, wie sie das Thema aufgreifen sollen.

„Ich finde es richtig über den Ukraine-Krieg zu sprechen, denn die Bilder und Eindrücke lösen Ängste aus und lassen Kinder und Jugendliche nicht unberührt.“

Kinder und Jugendliche dürfen mit ihren Fragen und ihrem Gesprächsbedarf nicht alleine gelassen werden. Schule hat einen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Sie hat auch den Auftrag Kinder und Jugendliche zur Demokratie zu erziehen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um demokratische Gedanken, um Freiheit und Menschenwürde zu betonen. Jetzt ist es besonders wichtig, die Gedanken für ein friedliches Zusammenleben zu teilen.

„Jede*r kann jetzt einen Beitrag zur Friedenserziehung leisten.“

Nimm dir Zeit für das Gespräch

Im Familienkontext ist es wichtig, dass sich Eltern Zeit für das Gespräch nehmen und es in Ruhe führen. Will das Kind schnell morgens vor der Kita oder Schule etwas dazu wissen, so sollte das Gespräch auf einen günstigeren Zeitpunkt vertagt werden. Eltern können sich auch gut auf das Gespräch vorbereiten, indem sie sich vorab Gedanken machen, wie es ihnen selber mit dem Krieg geht und welche Sorgen und Ängste sie haben. Eltern sollten sich auch gut über die Situation in der Ukraine informieren, so dass sie Bescheid wissen und keiner Fehlinformation unterliegen. Zum Gespräch selber sollte der Fernseher ausgeschaltet sein, so dass die Konzentration auf dem Gespräch liegt.

Meine Hinweise für den Schulkontext: Das Gespräch kann in einer beliebigen Unterrichtsstunde geführt werden. Wahrscheinlich ist, dass in der Grundschule der Deutschunterricht genutzt wird, in der Sekundarstufe 1 der Geschichtsunterricht oder auch der Unterricht zur Politischen Bildung. Vielleicht haben die Schüler*innen das meiste Zutrauen zur Klassenlehrkraft, allerdings können auch alle anderen Lehrkräfte das Gespräch initiieren. Wahrscheinlich wird auch der Klassenrat ein guter Ort sein, um das Gespräch über den Ukraine-Krieg zu initiieren.

Nimm die Sorgen ernst

Viel häufiger als gedacht machen Eltern immer noch die Sorgen ihrer Kinder klein. Sie erzählen ihnen, dass der Krieg weit weg ist, dass es wahrscheinlich schon bald wieder vorüber sei, dass Kinder sich keine Sorgen machen sollten. Genau dies ist jedoch keine gute Vorgehensweise. Erstens spüren Kinder, wenn Eltern nicht aufrichtig sind. Und zweitens haben Kinder auch ein Recht auf ihre Gefühle. Viel besser ist es, wenn Eltern ihren Kindern die Situation möglich sachlich beschreiben können.

Und das ist natürlich auch im Schulalltag gefragt. Lehrkräfte sollten die Kriegssituation altersgerecht erklären können, in neutralen Worten. Natürlich werden sie auch über ihre Gefühle und ihre Ängste sprechen, und das ist auch gut. Sie sollten jedoch nicht in Aggression und Wut oder große Verzweiflung verfallen, sondern den „Sicheren Rahmen“ der Schule weiterhin wahren. Je jünger die Kinder sind, um so behutsamer muss die Thematik angesprochen werden. Jugendlichen haben oft bereits ihre Meinung und haben unter Umständen Fehlinformationen, die aufgeklärt werden müssen.

Die Aufgabe der Pädagog*innen ist es, die Kinder und Jugendlichen zu stärken. Sie in ihren Ängsten ernst nehmen, und ihnen Mut und Perspektive für die Zukunft zu geben, das ist wichtig.

Wollen Pädagog*innen den Austausch fördern, so können sie auf folgende Fragen zurück greifen:

  • Wie geht es dir mit der Kriegssituation in der Ukraine?
  • Was hast du über den Konflikt gehört oder gelesen?
  • Welche Fragen hast du zur Situation?
  • Wie gehst du mit Sorgen / Ängsten dazu um?
  • Was geht dir durch den Kopf?
  • Was wünschst du dir?
  • Was können wir tun?

Und natürlich können auch Schulklassen in Deutschland etwas unternehmen, um den Menschen im Krieg Unterstützung zukommen zu lassen. Ein Kuchenverkauf oder ein Spendenlauf bringt Geld, das den Kindern in der Ukraine gespendet werden kann, um dort beispielsweise Hunger zu lindern. Vielleicht ist aber auch eine Patenschaft mit einer Schule in der Ukraine eine gute Idee, oder das Packen von Päckchen für Kinder in Kriegsgebieten oder der nahe gelegenen Geflüchtetenunterkunft. Schüler*innen wollen unterstützen, und es gibt immer Möglichkeiten, dass sie aktiv werden können.

Höre gut zu

Während die Fragen gestellt werden, haben Erwachsene die Aufgabe gut zuzuhören und auf die Äußerungen der Kinder einzugehen. Wenn sie merken, dass ein Kinder besonders mit der Situation zu kämpfen hat, so ist sicherlich ein erneutes Gespräch und ein „Dranbleiben“ sehr hilfreich.

Es bietet sich auch ein kurzes Online-Elterngespräch zwischen Schule und den Eltern einer Klasse an, initiiert von der Elternvertretung der Klasse oder der Klassenlehrkraft. Hier kann ein Austausch über die mit dem Thema stattfindende Belastung wahrgenommen werden, und es wird geschaut, wie beide Partner in der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit dem Thema umgehen.

Gebe Auskunft

Falls ein Kind oder eine gesamte Klasse das Thema noch nicht aktiv wahrgenommen hat, so wird das zu führende Gespräch zunächst ein Aufklärungs- und Sensibilisierungsgespräch sein. und wichtig bleibt auch, die Rolle der Medien zu bedenken. Manche Kinder sind im häuslichen Kontext dem Fernsehen von früh bis spät ausgesetzt, dann ist den Eltern zu raten, den Fernseher nur zu bestimmten Zeiten anzuschalten und den Abstand zur Situation zu finden. Mit Jugendlichen muss eher darüber gesprochen werden, dass sich in den sozialen Netzwerken auch Falschmeldungen befinden, vielleicht wird auch über gute und weniger gute Quellen gesprochen.

Die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz aus Magdeburg hat eine Handreichung geschrieben, wie die Gespräche mit Kindern und Jugendlichen über den Krieg geführt werden können.

Retraumatisierungen möglich

Es gibt Kinder und Jugendliche, die vor einigen Jahren aus Kriegsgebieten nach Deutschland geflohen sind. Als sie hier waren, haben sie die Corona-Krise erlebt und wurden weiterhin psychisch stark gefordert. Jetzt findet der Ukraine-Krieg statt und stellt erneut eine Belastung dar, eine Retraumatisierung ist möglich. Da heißt es für uns Pädagog*innen sensibel und empathisch zu bleiben.

Resilienz aufbauen

Zum Abschluss des Artikels hier gerne noch der Hinweis zu einer dreistufigen Methode, mit der du selbst deine Resilienz für diese Krisenzeit stärken kannst. Nimm die Affirmation der folgenden drei Sätze um dich zu stärken. Damit du auch stark für deine Kinder und/oder deine Schüler*innen sein kannst …

  1. Ich bin in der Lage meinen täglichen Alltag zu bewältigen.
  2. Ich habe freundliche Menschen um mich herum.
  3. Die Kriegs-Situation macht mir Angst, aber ich bin nicht alleine.

Ich hoffe, dass die sich gerade ankündigenden Gespräche zu Frieden führen und der Krieg bald vorüber ist. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, sagt Christa Schäfer.